Heute kam eine Frage hier per E-Mail an, die wirklich wichtig ist. „Ich bräuchte eine Perücke. Aber: soll ich eine Perücke tragen?“

Wer heute eine Chemotherapie bekommt, hat das Recht sich zu fragen: „Will ich eine Perücke? Fühle ich mich wohler mit einem Tuch?“

Keine Perücke zu tragen, bedeutet auch optisch zu dem Ausnahmezustand im eigenen Leben zu stehen. Egal wie man sich entscheidet. Wichtig ist, dass man sich fragt: „Womit fühle ich mich wohl?“ und „Was bedeutet es eigentlich eine Perücke zu tragen“

 

 

Eine Perücke ist nicht das eigene Haar. Scheint auf der Hand zu liegen. Tatsächlich aber wird das gerne einmal vergessen, weil eine Perücke ja optisch die eigenen Haare nachahmt. So wenig, wie der Pullover, den ich trage eine zweite Haut ist, ersetzt eine Perücke jemals das eigene Haar. Was kann sie also nicht:

* Sie wächst nicht nach. Und das heißt: Sie nutzt sich ab. Anders als die eigenen Haare, bei denen die Abnutzung nie ins Gewicht fällt, weil sie sich ja beständig erneuern. Eine gute Perücke hat eine Lebensdauer von 2 Jahren. Bei sehr guter Pflege kann diese Zeitspanne größer sein. Handelt es sich um Kunsthaar oder wird die Perücke stark belastet (etwa indem sie auf der Kopfhaut fixiert und zum Schlafen getragen wird) liegt die Lebensdauer deutlich niedriger. (…Tragen Sie mal ihren neuen Pullover 24 Stunden am Tag, zwei Jahre hintereinander. Der sieht danach auch nicht mehr so frisch aus…)

* Sie kann sich nicht anfühlen, als wüchse da Haar direkt aus meiner Kopfhaut. Es gibt immer eine Schicht Textil, die dazwischen liegt und die als Trägermaterial dient.

Weil Haare auch heute noch von Hand geknüpft werden und Perücken sehr genau auf den Träger angepasst werden sollten ist die Qualitätsspanne in diesem Bereich relativ weit. Eine gute Perücke kann den Träger/ der Trägerin sehr viel bieten.

* Eine gute Perücke atmet und ist federleicht. Wir denken bei einer Perücke oft an die Frisur. Das wichtigere aber spielt sich unter der Oberfläche ab. Extrem wichtig ist also welche Materialien hier verwendet werden. Weiche atmungsaktive Tülle und dehnbare Mesh-Materialien, sorgen dafür, dass sich eine Perücke gut und sicher anfühlt.

* Eine gute Perücke schenkt einem ein gutes Gefühl, wenn man aus der Haustür geht. Haare sind ein optisch sehr präsenter Bestandteil der Erscheinung. Eine gute Perücke aus echten Haaren, kann Haarausfall optisch komplett unsichtbar werden lassen. Perfekt eingeschnitten und an den eigenen Typ angepasst bemerkt niemand, dass die Haare nicht echt sind. An manchen Tagen besteht der Luxus einer guten Perücke einfach darin, dass niemand einen mitleidig anlächelt und dass der Typ im Café mit einem flirtet, als wäre alles ganz normal.

Diese Überlegungen können eine Rolle spielen, wenn man sich dafür (oder dagegen) entscheidet währen einer Chemotherapie eine Perücke zu tragen. Wichtig ist vor allem, dass man einen Weg findet, der sich für einen selbst natürlich und gut anfühlt.

Für den einen bedeutet das zu seiner Krankheit zu stehen. Sich nicht schamvoll zu verstecken sondern Hilfe und Verständnis einzufordern.

Für den anderen kann es heißen, dass man sich selbst zeigt, dass es weitergeht. Dass manche Dinge ganz normal weiterfunktionieren und man der eigenen Krankheit zeigt: „Ich lasse mich heute nicht unterkriegen. Ich bin positiv und ich sehe gut aus.“

Ein bisschen anders verhält es sich bei Krankheiten wie Alopezie. Hier wächst das Haar oft nicht mehr nach. Der Ausnahmezustand wird damit zum Dauerzustand im eigenen Leben. Hier ist es wichtig zu wissen, dass es Perücken gibt, die ein Gefühl von Normalität entstehen lassen. Wenn man sich um einen Job bewirbt, wenn man abends weggeht um zu flirten und sich zu verlieben, wenn man die eigenen Kinder in den Kindergarten bringt, beim Schalter an der Post und beim Filmabend mit Freunden. Einfach immer. Das kann eine gute Perücke.

Mir persönlich ist es wichtig, dass alle die, die sich dafür entscheiden die Möglichkeit bekommen eine gute Perücke zu bekommen. Deshalb sind Perücken aus gespendeten Haaren so wichtig.

Perücke oder Kopftuch? – Gesellschaftlich ist es eine gute und wichtige Entwicklung, dass heute beide Wege gangbar sind. Es ist wichtig, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der wir unsere eigenen Bedürfnisse und Gefühle respektieren … und dann einen Weg finden. Gemeinsam.